Recht auf Reparatur, Herzogenauracher kämpft gegen den Elektroschrott
Recht auf Reparatur, Pressebesuch vom Fränkischen Tag
Bericht aus dem Fränkischen Tag
Herzogenauracher kämpft gegen den Elektroschrott
von Andreas ScheuererFränkischer Tag
Herzogenaurach – In seinem Laden repariert Florian Bulgariu seit 30 Jahren Elektrogeräte in Herzogenaurach. Nicht lange her, da musste er sein Geschäft fast zusperren. Aber jetzt könnte ein EU-Gesetz alles ändern.
Florian Bulgariu beugt sich über den Fernseher, das letzte Gerät des Tages, silbergraue Optik, sieben, vielleicht acht Jahre alt, und Bulgariu ahnt schon, was das heißt. So ist das ja oft bei ihm. Wenn ein Gerät reinkommt, hat er meist schon eine Ahnung, woran es liegen könnte. „Aber genau weiß man es erst, wenn man reinschaut“, sagt Bulgariu. Er fährt mit dem Zeigefinger über die Schaltkreise. „Könnte die Software sein“, sagt er also. Und die Software wäre schon mal ein Problem.
Mit hochgekrempelten Ärmeln steht er in seinem Geschäft in der Würzburger Straße in Herzogenaurach. In den Regalen reihen sich alte Fernseher, Handys und Radios aneinander. An der Wand hängt sein Meisterbrief, „Radio- und Fernsehtechniker-Handwerk“ steht darauf. „Den Beruf gibt’s heute gar nicht mehr“, sagt der zurückhaltende, schmale Mann und lächelt. Seit 30 Jahren repariert Bulgariu hier Elektrogeräte, seine Frau Adriana erledigt die Abrechnungen.
Das soll das neue Gesetz mitsichbringen
Es ist eines dieser Geschäfte, bei denen man sich fragt, wie das eigentlich funktionieren kann. Eines, das von außen so wirkt, als würde es bald durch einen dieser modernen Läden ersetzt werden, die Seifen oder andere Wohlfühlprodukte verkaufen. Dabei könnten sich vor dem Laden von Bulgariu schon bald wieder lange Schlangen bilden, die eine neue Hochzeit einleiten. Die Renaissance der Reparatur. So könnte es kommen.
35 Millionen Tonnen Elektroschrott fallen jedes Jahr europaweit an, weil Produkte lieber ersetzt werden statt sie zu reparieren. Für die Umwelt ist die Belastung immens. Um Ressourcen zu sparen, will die EU nun mit dem „Recht auf Reparatur“ gegen diese Verschwendung vorgehen. Am Dienstag hat das Europäische Parlament das Gesetz mit großer Mehrheit beschlossen, und so manche sprechen jetzt schon von einer „Änderung im System“.
Konkrete Handhabung noch ungewiss
Das neue Reparaturgesetz soll die Gewährleistung für bestimmte Produkte erweitern. Zudem sollen diese über die gesamte Lebensdauer reparierbar sein. Geht beispielsweise eine Waschmaschine kaputt, kann der Kunde das Gerät zum Händler zurückbringen oder sich direkt an den Hersteller wenden. Eine Reparatur darf der dann nur ablehnen, wenn diese „rechtlich oder faktisch unmöglich ist“. So lautet das Gesetz.
Wie das in den Mitgliedsstaaten konkret gehandhabt werden soll, ist bislang offen. Nach den Vorschlägen des Parlaments sollen die Länder sogenannte Reparaturfonds einrichten. Vorbilder sind Österreich und Frankreich, wo es bereits seit einem Jahr einen Reparaturbonus gibt. Dieser wird in Werkstätten automatisch ausgezahlt, wenn ein Gerät zur Reparatur reinkommt. Ohne Anträge, ohne Bürokratie.
Bulgario, 63, kennt die Geschichten von Handys, die irgendwann das neueste Update verweigern, weil es der Hersteller nicht will. Von Fernsehgeräten, die exakt nach der Garantiezeit den Geist aufgeben. „Da hat man manchmal schon den Eindruck, dass da ein Timer eingebaut ist“, sagt der Elektromeister. Irgendwann stehen die Kunden dann vor seiner Tür, die Geräte unterm Arm und fragen: Kannst du das noch reparieren?
So wie bei dem Kunden, der jetzt seinen Fernseher auf den Ladentisch wuchtet. Neun Jahre sei das Gerät alt, erzählt er, vor kurzem waren plötzlich Bild und Ton weg. Wenn es zu einem vernünftigen Preis machbar wäre, würde er den Fernseher reparieren lassen. Florian Bulgariu linst nach hinten, seine Frau Adriana nimmt die Ware entgegen. Wie lange dauert’s? „Zwei Tage“, sagt sie. Der Kunde sagt: „Alles klar, schau ma mal“ und verlässt den Laden.
Der Preis entscheidet darüber, ob etwas repariert werden soll oder nicht – und der ist vielen oft zu hoch. Selbst bei Bulgariu. Doch war das längst nicht immer so. Früher hat er hier Fernseher repariert, die 3000 Euro kosteten. Für die Reparatur hat er da schon mal 1500 Euro verlangt. Abgelehnt hätten das nur die wenigsten. Und so reparierte sich Bulgariu die Finger wund. Heute ziehen die meisten schon bei 100 Euro die Augenbraue nach oben. „So viel?“
Schikane der Hersteller
Seit 1996 betreibt er seinen Laden in Herzogenaurach. Angefangen habe er mit Unterhaltungselektronik. Das Geschäft lief lange Zeit gut, aber als die Japaner und Koreaner mit ihren günstigen Geräten in den Markt drängten, ging es auch bei Bulgariu bergab. Er hat dann angefangen, Handys zu reparieren. Displaysprünge, Wasserschäden, so was eben. „Das hat uns damals gerettet“, sagt er. Im Moment steige das Interesse an Reparaturen. „Viele wollen nachhaltig leben, das spürt man schon“, sagt er.
Das Problem sind häufig die Hersteller. Weil die Ersatzteile oft gar nicht oder nur zu überteuerten Preisen anbieten. Weil Akkus in Handys so verklebt und verschraubt sind, dass man sie nicht mehr auseinander bekommt. Hier will das EU-Gesetz ansetzen. Mehr Produkte sollen repariert werden, indem Ersatzteile eine Weile verpflichtend verfügbar sein sollen. Software, die dazu führt, dass ein Produkt nach einer Reparatur nicht mehr ordentlich funktioniert, soll es nicht mehr geben.
Das sagen Verbraucherschützer
Fragt man beim Bundesverband der Verbraucherzentrale nach, sei das neue Gesetz zwar „geeignet“, um Reparaturen zu erleichtern, sagt Verbandsvorsitzende Ramona Popp. Dennoch müsse man sehen, wie das Gesetz jetzt umgesetzt werde. So fordert der Verband ein Reparaturrecht für alle Produkte. Bislang gilt das Gesetz nur für Haushaltsgroßgeräte, elektronische Displays, Staubsauger, Server und Datenträger, für Mobiltelefone und Tablets sowie für Fahrräder.
Im Dezember sollen Verhandlungen auf Europaebene beginnen. Dann hat die Bundesregierung die Chance, das Recht auf Reparatur zu gestalten. Darauf ist auch Bulgariu gespannt. Ein halbes Jahr Garantie gibt er in seinem Geschäft auf reparierte Produkte, aber nur, wenn diese einwandfrei laufen. Sonst rät er Kunden von der Reparatur ab. Beim silbergrauen Fernseher sind die Ersatzteile zu teuer, er wird dem Kunden wohl einen Neukauf empfehlen. Florian Bulgariu hofft, dass er das in Zukunft weniger oft tun muss.